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Ein Betreuer ist kein Verteidiger i. S. d. § 140 StPO

LG Lüneburg, Beschl. v. 14.07.2022 - 22 Qs 41/22 (AG Lüneburg), § 140 StPO

 Die Beschwerde ist zulässig. ... Die Beschwerde ist auch begründet, da die Voraussetzungen für die Beiordnung eines Pflichtverteidigers gem. § 140 Abs. 2 StPO vorliegen. Ausweislich des Betreuungsgutachtens ... war der Beschuldigte im Zeitpunkt der Antragstellung durch Rechtsanwalt W nicht in der Lage, sich selbst zu verteidigen. Das Gutachten stellt eine "erhebliche Desorganisiertheit" bei dem Beschuldigten fest, " was das problemlösende Denken, Planen und Handeln gravierend" beeinträchtigte.

Der erforderliche Umfang der Betreuung umfasste insbesondere die "Vertretung gegenüber Behörden, Gerichten und anderen staatlichen Stellen". Anhaltspunkte dafür, dass diese Einschätzung im Betreuungsgutachten nicht oder nicht mehr der aktuellen Situation entspricht, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Entgegen der Auffassung der StA kann der Beschuldigte nicht darauf verwiesen werden, sich durch seinen Betreuer "verteidigen" zu lassen. Denn dies entspricht nicht dem gesetzlichen Leitbild des § 140 Abs. 2 StPO, wonach Personen, die sich nicht selbst verteidigen können, ein Pflichtverteidiger beizuordnen ist. Darüber hinaus erscheint die Annahme einer regelhaften "Verteidigung" durch einen Betreuer auch im Hinblick auf die Vorschriften der §§ 137 Abs. 2 S. 1 und 138 Abs. 2 S. 1 StPO problematisch, weil auch diese Regelungen nahelegen, dass die Verteidigung durch einen Betreuer nicht dem gesetzlichen Leitbild entspricht (vgl. insoweit auch Meyer-Großner/Schmitt, StPO, § 140 Rn 30 m.n.W., wonach die Bestellung eines Pflichtverteidigers sogar dann in Betracht kommen soll, wenn der Betreuer zugleich Rechtsanwalt ist). Die vorläufige Einstellung des Verfahrens gem. § 153a StPO durch Beschluss des AG vom 29.06.2022 steht der Beiordnung des Pflichtverteidigers nicht entgegen.

Denn der Antrag auf Beiordnung wurde von Rechtsanwalt W bereits mit Schriftsatz vom 24.03.2022 gestellt und das Verfahren erst später aufgrund seiner Anregung im Schriftsatz vom 28.04.2022 eingestellt. Der Umstand, dass über den rechtzeitig gestellten Antrag erst nach der vorläufigen Beendigung des Verfahrens entschieden wurde, darf sich nicht zum Nachteil des Antragstellers auswirken. ...

 

 

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